Die Erziehung zu einer aktiven Bürgerschaft
Abstract
Der Begriff der Bürgerschaft ist intrinsisch problematisch und vielseitig. Um den Begriff der Bürgerschaftserziehung besser zu verstehen und zu erläutern, könnte man zunächst an deren zweifache Interpretationsmöglichkeit im Englischen anknüpfen, wo ihr einerseits civicness („Bürgerkunde“, it. „cultura civica“, „educazione civica“), andererseits citizenship (Staatsbürgerschaft als Identität und als Staatsangehörigkeit) entspricht. Anders ausgedrückt scheinen uns nach dieser ersten Reflexion in der Idee von Bürgerschaft sowohl die Kenntnis als auch die Praxis der gesamten Konventionen, Gesetzen und Regeln, die eine bestimmte Bürgergemeinschaft charakterisieren, als auch ein gewisses „Sich-Wiedererkennen“ des Einzelnen als Teil des Kultur-, Werte- und Traditionssystems, das von eben dieser Gemeinschaft im Laufe der Geschichte hervorgebracht worden ist, vereint. Die erste Interpretationsweise scheint mehr „extern“ zu sein und zumindest teilweise der traditionellen, immer geforderten und fast nie praktizierten schulischen Bürgerkunde anzugehören: „extern“ insofern, als diese aus „kühlem“ Wissen besteht, das sich größtenteils aus rationellen Erkenntnissen speist und nur in geringerem Maß aus emotionaler Teilhabe. Die zweite Deutungsmöglichkeit ist ohne weiteres als „intern“ zu bezeichnen, vor allem weil sie sich auf Bereiche des „warmen“ Wissens bezieht, das von den existentiellen (wertenden, politischen, konfessionellen) Entscheidungen des einzelnen Bürgers ausgeht. Diese Form ist in den schulischen Curricula unseres Landes kaum vorhanden, zumindest nicht in einer kodifizierten Weise. Sie war es hingegen sehr wohl − wir erinnern daran, um auch eine mögliche nationalistische Verwurzelung dieser Interpretation aufzuzeigen − in fast allen schulischen Fächern des „Ventennio“, der faschistischen Ära Italiens, wo die Schule vor allem danach strebte, die „Italianität“ (bzw. die italienische Wesensart) als einen Grundwert der Erziehung zu predigen und diese als gemeinsames Identitätsmerkmal aller Bürger vorzuschlagen.Downloads
Veröffentlicht
2007-02-01
Ausgabe
Rubrik
Civil Society and European Integration